auto, berichte — 22. Januar 2012 at 13:00

Der neue Jaguar XJ im Paar-Test

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Die Rassekatze zeigt Krallen und ist trotzdem very british.
Der neue XJ im Paar-Test.

Ein Mann und eine Frau auf Auto-Entdeckungstour.

von Britt Heudorf und Bernhard Heudorf

 

 

 

 

 

ER:

So ändern sich die Zeiten. Nichts definiert den britischen Lebensstil mehr als die Queen – und natürlich die legendären Autos von Jaguar. Die Marke feiert ihr 75-jähriges Jubiläum, deren Eigentümer ist jedoch inzwischen Tatra, ein Konzern der ehemaligen britischen Kronkolonie Indien.

Wir haben die neue Limousine XJ zum Test. Hoch sind die Erwartungen, möchte man annehmen: Man erwartet viel, oder besser nichts? Die Modelle E-Type, XK und die XJ-Ausführungen der 70er- und 80er-Jahre mit ihren mächtigen V12-Motoren, üppigen Ledersesseln, riesigen Wurzelholz-Armaturenbrettern, die Daimler-Ausführungen mit Picknicktischchen und noch mehr Luxus haben sich bei der Klientel fest eingebrannt. Wie wird der neue XJ wohl sein!?

Wir zitieren die Verkaufsunterlagen: „Der neue Jaguar befreit sich von vorgefertigten Anschauungen und definiert die Vorstellung von sportlichem Luxus neu. … Eine wegweisende Luxuslimousine, stilvoll, anregend …“ Alles neu also, Jaguar mit einem Neustart, nur der Name bleibt? Nein! Schon der Gang um den Wagen herum zeigt die bisherigen Tugenden. Er ist stattlich, ohne zu protzen, er ist zeitlos und durchaus richtungsweisend in der Formensprache. Es fehlt auch nicht der prägnante Chrom-Kühlergrill. Alles ist da, wie gewohnt, nur anders und neu. Sogar der Blinker klingt wie die ehrwürdige Standuhr im Buckingham Palace.

Der Fahrtest zeigt weitere Überraschungen, neu und doch sehr vertraut. Die seidenweiche Leistungsentfaltung überrascht umso mehr, als es sich beim XJ 3,0 um einen V6 Twinturbo Diesel handelt! Mutig, aber vor allem zeitgemäß sorgen die 275 PS für angemessene Leistung in jeder Lage. Der XJ ist ein angenehmer Reisewagen und auch auf der Landstraße überraschend leichtgängig. Fahrkomfort oder sportliche Note sind überzeugend. Der Verbrauch, angegeben mit 7 l/100 km, ist durchaus realistisch und erreichbar. Die Reichweite beträgt damit in unserem Test fast 900 Kilometer. Das ist mehr als genug, um von München an den Gardasee und zurück zu reisen, oder in unserem Falle an den Wörthersee. Der Jaguar wirkt subtil, aber er überzeugt. Die Sommergäste am Wörthersee sind genauso neugierig wie Herr Wiessmeier, der erfahrene Wagenmeister des Schlosshotels Velden. Der moderne, oder sagen wir besser zeitgemäße Innenraum begeistert. Viel Leder, moderne, gut ablesbare und intuitiv bedienbare Instrumente und ein richtiges Armaturenbrett. Immer etwas Besonderes war bei Jaguar auch die Bedienung der Automatik. Wir erinnern uns an die U-förmige Wählkulisse der XJ-Modelle der 90er-Jahre. Auch hier ist der neue XJ wieder ganz der alte, heute wird die Automatik mit einem Metallknopf bedient. Etwas schrullig waren die Briten immer schon, aber deswegen auch liebenswert. Einzig die von der Funktion her unnötigen und vom Material her inakzeptablen Plastik-Schaltwippen verleiten dazu, vornehm britisch, leicht indigniert, die Augenbraue hochzuziehen. Auch wenn die Queen vielleicht nicht „amused“ war, aber dieses Kronjuwel an Indien zu verlieren hat der Marke gutgetan, davon sind wir überzeugt.

 

SIE:

„Wollen Sie den neuen Jaguar XJ testen?“, werde ich gefragt. „Ja, gerne“, ist meine Antwort – aber hat Jaguar ein neues Modell, frage ich mich? Ja, so ist das bei uns Damen. Während wir unsere Näschen in die Instyle, Gala und Bunte stecken, ist das Magazin Auto, Motor & Sport bei den Herren Pflicht. Fragen Sie mich gerne über Absatzhöhe oder die neue Prada-Taschenkollektion, aber Auskünfte zum Verbrauch eines V6 Twinturbo Diesel – bitte verschonen Sie mich.

Da steht sie nun, die neue Jaguar-Limousine zum Test. Sehr hübsch, elegant von außen und tolle Innenausstattung. Und schon beginnt das Gerangel um die Test-Jungfernfahrt. Selbstverständlich darf mein Mann zuerst, schließlich ist „Autotest“ ja was Männliches. Das gibt mir die Gelegenheit, an den zahlreichen blankpolierten Knöpfchen zu drehen und mich im Innenraum umzusehen. Sämtliche Einstellungen von Radio/CD über Telefon bis hin zur Sitzheizung lassen sich einfach auf dem großen Touchscreen einstellen. Auch wenn das von den Herren nicht gern gesehen wird, aber im Jaguar haben wir Beifahrer viele Möglichkeiten, uns individuell zu beschäftigen und Einstellungen vorzunehmen. Apropos Radio: Das Soundsystem im neuen Jaguar XJ ist phänomenal: B&O verwöhnt die Ohren – meine zumindest, denn Rihanna gibt auf der Testfahrt alles. Besonders chic ist auch der „Gangknopf“, der fast wie der iDrive-Controller beim 7er BMW in der Mittelkonsole als Schalthebel fungiert.

Wie gut unsere “Rassekatze” denn nun wirklich ist, wollen wir auf einer Fahrt ins Nachbarland Österreich testen. An den Wörthersee soll es gehen, in das Schloss-Hotel Velden. Ein Jaguar verpflichtet schließlich. Da kann man nicht einfach nur „irgendwohin fahren“, da muss man reisen und elegant vorfahren.

Es gelingt mir dann schließlich auch mal, die „Katze“ zu bewegen. Nicht nur das Ambiente überzeugt mich als Frau, sondern auch die Fahreigenschaften. Ruhig gleiten wir durch den Verkehr, völlig entspanntes Fahren. Nur dieser seltsame Bremskraftverstärker ist wirklich gewöhnungsbedürftig: Statt sanftem Anbremsen lege ich regelmäßig eine Vollbremsung hin.

Ich liebe ja technische Spielereien, die das Leben einfacher machen. So begeistern mich der „Tote-Winkel-Assistent“ und die fast vollautomatische Einparkhilfe mit visueller Darstellung im Touchscreen-Display.

Leider ist der Weg an den Wörthersee zu kurz und die Geschwindigkeitsbegrenzung in unserem Fallen stellenden Nachbarland niedrig, sodass ich den V6 Twinturbo (was immer das sein soll …) nicht richtig zum Glühen bringen konnte – auch wenn ich das gerne gewollt hätte. Aber mit einem Jaguar gleitet man ja mehr ladylike. Die “Katze” hat den Test bestanden und mit viel Wehmut gebe ich den chicen Wagen zurück!


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