Neulich habe ich eine unschöne Kritik von einem Gesellschaftskolumnisten in der Münchner Abendzeitung über das „neue Lenbach“ gelesen, das jetzt ganz offiziell Rilano No. 6 Lenbach Palais heißt. Obwohl in keiner Form an den Geschicken des Restaurants beteiligt, war ich ein bisschen beleidigt über den Bericht. Das Lenbach war und ist für mich persönlich leider die einzige Location Münchens, die optisch Großstadt-Flair verbreitet.
Na gut, man muss zugeben, es gab auch schwere Jahre. Hat sich doch recht schnell nach dem „jungen Wilden“, Koch Stefan Marquard, eine dominante Langeweile in den beeindruckenden Hallen des Lenbach breitgemacht. Die coole Bar, Teil der sieben Sünden, wurde für mittelprächtige Feierabend-Clubbings missbraucht und die Karte des Restaurants las sich so öde, dass die Gäste bestenfalls mittags auf einen schnellen Lunch vorbeischauten. Eine schlechte Beurteilung mag für manche ein Grund sein, das neue Restaurantkonzept nicht selbst zu testen. Für mich ist es eine Aufforderung gewesen.
Der erste Eindruck zählt ja bekanntlich und der ist im neuen Lenbach sehr angenehm. Auf den flüchtigen Blick hat sich im Eingangsbereich nichts verändert. Doch bereits in der Bar wird einem klar: Hier herrscht kein Sparzwang mehr. Der großzügige hallenähnliche Barbereich wurde mit edel glänzenden Materialien und zarten Goldtönen auf Vordermann gebracht. Flauschige Teppiche nehmen die Kühle und warmes Licht taucht die Gäste in eine entspannte Stimmung. Eine Attraktion ist sicher die wellenförmige Bar mit knapp 19 Metern Länge. Bitte überlegen Sie: Wo findet man in München eine solche Bar mit Platz, schönen Sitzgelegenheiten, guter Bedienung und Separees?
Der Weg führt mich nach einem Drink hinüber ins Restaurant. Wie immer beeindruckt der weitläufige imposante Saal. Im Gegensatz zum früheren Lenbach wurde der rutschige „Catwalk“ in der Mitte entfernt. Stattdessen findet man im hinteren Bereich eine DJ-Kanzel mit riesiger Discokugel. Ein cooler Kontrast zum ehrwürdigen Stuck des Bernheimer Palais aus dem späten 19. Jahrhundert. 240 Personen würden im Restaurant Platz finden. Die Kritik, dass das Restaurant immer halbleer sei, habe ich schon oft gehört. Finden in einem normalen Restaurant 40–50 Leute Platz, heißt es gleich „die sind immer voll bis auf den letzten Stuhl“. Dass es im Rilano eben etwas lockerer vom Platzgefühl zugeht, sollte einen nicht stören. Ganz im Gegenteil, endlich hat man mal die Freiheit, am Tisch ein Gespräch zu führen, das nicht jeder Nachbar mitbekommt. Die Einrichtung kann sich mit dem internationalen Standard von In-Locations messen, Weiß und Bronze sind die vorherrschenden Farben und tolle Blumenarrangements bringen Lebendigkeit in den Raum. Lediglich über die Auswahl der Stühle könnte man streiten.
Der charmante Küchenchef Steffen Sonnenwald, Mitbegründer der einstigen „Jungen Wilden“ und gebürtiger Münchner, bezeichnet seine Art zu kochen als ehrlich und bodenständig. Aber auch als pur und emotional. Pur deshalb, weil der Otto Koch-Zögling den natürlichen Geschmack der Produkte hervorhebt. Emotional, weil seine Kreationen zwei seiner großen Leidenschaften verbinden: den Genuss und die Musik.
Sagen wir mal so, „bodenständig“ ist ein Wort mit einer Bandbreite wie „blau“. Hellblau, meerblau oder dunkelblau. Die Vorspeise, ein creolisches Topinki, besteht aus Gänseleber, Brot, Vanille, Rum, Banane auf Schalotten, Chili-Marmelade und Räucheraal. Klingt das bodenständig für Sie? Für mich nicht, aber es schmeckt hervorragend. Als Hauptgang entscheide ich mich für den eher klassischen Rehrücken auf Schwarzwurzel mit Gänseleber an einer Holunderreduktion. Schon wieder ein Genuss. Durchaus ehrlich und emotional, wie Sonnenwald sagt, aber vor allem geschmacklich eine hervorragende Komposition, wie ich finde. Ein Dessert muss es natürlich auch noch sein, ich bin ja hier, um die AZ-Kritik zu widerlegen – auch auf Kosten meiner Figur. Eine Creme aus der Tonkabohne mit Kastanienhonig füllt hauchzarte Waffelröllchen, getoppt von einer süß-säuerlichen Cassis-Sauce. Geschmackserlebnis Nummer drei.
Eine exzellente, internationale Weinauswahl rundet Sonnenwalds Sinfonien ab. Für den älteren Feinschmecker wird das Auftauchen der Sommelière Kim Stöckert am Tisch vielleicht ein wenig ungewöhnlich wirken. Stöckert ist noch lange nicht dreißig, selbstbewusst, frech tätowiert und alles andere als ein gelangweilter Sommelier, der sein Altenteil absitzt. Die junge Fränkin berät den Gast mit viel Engagement und Fachwissen und regt gerne auch mal zu ungewöhnlicheren Tropfen an. Sie passt in das durchweg junge Serviceteam, das mit professioneller Herzlichkeit für einen perfekten Service am Tisch sorgt. So gestärkt führt mich mein Weg wieder zurück an die Bar, um dort den Digestif einzunehmen. Die Bar ist angenehm gefüllt und ein DJ sorgt für coole Beats. Ein gelungener Abend, in einer tollen Location, wie ich finde. Probieren Sie das Rilano No. 6 doch einfach selber mal aus …
Text von Britt Heudorf