hotels — 4. September 2015 at 15:03

Öko-chic: Südtirol mal ganz anders…

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Costa veranstaltet regelmäßig „Schweigeabende“, an denen weder Gäste noch Personal sprechen dürfen. Wer glaubt, sich mitteilen zu müssen, hat dies mittels Stift und Papier zu tun. 
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Denk anders: Hotelchef Michil Costa

Mein Gespräch mit Hoteleigentümer Michil Costa hat mich sehr verwundert. Als Journalistin ist man es ja generell gewohnt, dass Hotelchefs gerne von sich und ihrem Haus sprechen. Die einfachsten Selbstverständlichkeiten als irrsinnige Neuerung preisen und einen mittelmäßigen Service als liebevolle Rundumbetreuung sehen. Ein Vieraugengespräch geht manchmal gut – manchmal aber auch nicht. Ich gehöre zu den Menschen, die eine Meinung haben, nicht leicht einzulullen sind und sich auch ohne Scheu an etwas reiben. Mein Gesprächspartner im eleganten Hotel „La Perla“ in Corvara ist erstaunlicherweise auch jemand, der eine Meinung hat und diese genauso gerne kundtut wie ich.

Geht so etwas gut? Ja, wir hatten ein wunderbares Gespräch; erst über grünen Tee und die Tradition des Hauses seit 1957, dann ging es ans Eingemachte. Michil Costa ist als Querkopf bekannt, und das weit über das Tal und die Region hinaus. Er ist anders und sein Anderssein ist zu einem Markenzeichen geworden. Vor mir sitzt ein Mensch, der gerne aneckt, seine Prinzipien durchsetzt und manchen damit auch vor den Kopf stößt. Alles, was er mir darüber erzählt, wie er sein Haus im Einklang mit der Natur und der Gesellschaft sieht, wie er gegen den überladenen Alpenkitsch wettert, den er „porno-alpin“ nennt, oder dass er mir mitteilt, dass es in seinem Haus keine Cola und im Sommer auch keinen Apfelkuchen gibt, weil das schließlich nicht die Apfelzeit ist. Erdbeeren im Januar, er tippt sich mit dem Finger an die Stirn.
IMG_7426_GWOh Schreck, werden Sie jetzt denken, da kann man nicht hin! Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn mir das vor dem Zusammentreffen mit dem „Ideengeber“ des Hotels gesagt worden wäre, würde ich das Gleiche denken. Aber, und das ist erstaunlich, so radikal und neu Michil Costa denkt, spüren Sie es als Gast fast nicht. Unser Gespräch fand am letzten Tag meines Besuchs statt, und bis zu diesem Zeitpunkt wären mir die radikalen Ideen (vielleicht weil ich nicht exzessiv Cola trinke?) gar nicht aufgefallen.  Es gibt herrliches Essen, feinste Getränke, Weine und Champagner. Die Zimmer sind urig-elegant eingerichtet, das Spa ist wunderschön und vor der Türe verläuft die perfekte Skipiste. Was wollen Sie mehr? Das ist eigentlich schon Beweis genug, dass man ein Hotel auch mit Prinzipien und Rücksicht auf Menschen, Tiere und Natur führen kann, ohne das es den Gästen an etwas fehlt.
La_Perla_Stuea_de_MichilSein Augenmerk als begeisterter Gourmet liegt natürlich auf dem sternedekorierten Hotelrestaurant „Stüa di Michil“. Der Gast speist in zwei Tiroler Stuben aus dem 16. Jahrhundert, die originalgetreu hergerichtet wurden. Mit der Holzvertäfelung, den Nischen und der kunstvollen Einrichtung laden sie gerade im Winter zu intimen und kuschligen Abendessen ein. Für die gesamte Kulinarik zeichnet seit dem Winter 2014 der neue Chefkoch Nicola Laera verantwortlich. Der dreißigjährige Italiener zaubert authentische, schnörkellose Gerichte stets unter Berücksichtigung der Hotelphilosophie, die auch seine eigene ist.
Selbstverständlich ist hier alles von der Karte verbannt, was auch nur in die Nähe von Tierquälerei kommt. Und das ist auch gut so. Der Einkauf achtet strikt auf biologische Produkte der Region und fair gehandelte Waren aus aller Welt, sofern man diese nicht in Italien bekommt. Auch gibt es den Freitag als fleischlosen Tag im ganzen Hotel. Wen die „Fleischeslust“ überfällt, bekommt selbstverständlich alles, nur muss der Gast es sich bestellen. Die Menüs sind an diesem Tag ausschließlich vegetarisch aufgebaut, und es fehlt an nichts. La_Perla_Koch
Das Hotel „La Perla“ ist – man möchte es kaum glauben – Mitglied bei den Leading Hotels of the World – die ja nicht gerade als „alternative Veranstaltung“ bekannt sind, sondern vielmehr den Schwerpunkt auf opulenten Luxus legen. Das Haus liegt im bekannten Skidorf Corvara im Herzen Südtirols, das zu einer der fünf ladinischen Gemeinden des Gadertals gehört. Auf knapp 1.600 Höhenmetern inmitten der Dolomiten gibt das Haus einen beeindruckenden Blick auf den Marmolada-Gletscher, zahlreiche Dolomitengipfel sowie die österreichischen Alpen frei.
Die Natur ist herrlich und unbeschreiblich beeindruckend. Auch hier hat Michil Costa wieder ein Wort mitzureden. Denn er möchte, dass es noch schöner wird oder, besser gesagt, ursprünglicher. Weg mit den Schneekanonen, Mäßigung der Weihnachtsbeleuchtung an sämtlichen Hotels von Advent bis Ostern (er nennt es Lichtverschmutzung) oder Reduzierung des Massentourismus in Alta Badia. In Corvara ist er für seine Thesen und Kompromisslosigkeit berühmt und auch gefürchtet. Gerne legt er seinen Finger in die sprichwörtliche Wunde, wenn die anderen Hoteliers es sich in der persönlichen „Komfortzone“ bequem gemacht haben. Aber kein anderer hat wie er dazu beigetragen, dass ein unbekanntes Bergdorf zu einer der ersten Adressen Italiens wurde und die VIPs sich im „La Perla“ und in Corvara die Klinke in die Hand geben.
Michil Costa gab keine Ruhe und wollte Verbesserungen und ein neues Modell für ein ethisches und nachhaltiges Wirtschaften. Im Jahr 2012 entschloss sich die Familie Costa zu einem neuen Weg und stellte den Hotelbetrieb auf das Prinzip der Gemeinwohl-Ökonomie um. Dieses Modell verleiht Unternehmen eine neue strategische Dimension. Die Hauptziele sind nicht Gewinn und Konkurrenz, sondern Allgemeinwohl und Zusammenarbeit. Basis ist die „Gemeinwohl-Bilanz“, die misst, wie die fünf Grundwerte Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie umgesetzt werden. Übertragen auf das Hotel beinhaltet das zum Beispiel den Einkauf regionaler Produkte, ein verantwortungsbewusstes Finanzmanagement und einen zuverlässigen Umgang mit Geschäftspartnern. Innerbetrieblich spielen Maßnahmen zur Arbeitsplatzqualität, Gleichstellung der Mitarbeiter und eine gerechte Bezahlung eine zentrale Rolle. Damit sorgt die Gemeinwohl-Ökonomie auch bei den Mitarbeitern für Zufriedenheit, und das spürt wiederum der Gast.
Die Frage, was ihn dazu bewogen hat, nach den Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie zu handeln und den Hotelbetrieb dahin gehend umzustellen, beantwortet mir Costa gerne. „Der wahre Luxus besteht aus Zeit, Raum und Ruhe; ein ‚Lentius Profundius Soavius‘, so definierte es der Südtiroler Vordenker Alexander Langer. Luxus heißt nicht ‚immer mehr‘. Wir müssen im Bewusstsein agieren, dass alles, was wir machen, eine Folge hat. Ich werde weniger Fleisch essen, weil pro Kilo 15.000 Liter Wasser verbraucht werden, ich werde lokal, biologisch, saisonal einkaufen. Ich werde keinen Fisch kaufen, der mit Schleppnetzen gefangen wurde, ich möchte nicht Teil der Ausbeutung unserer Erde sein. Kleine Schritte bringen uns zu großen Zielen. Deswegen erstellen wir in unserem Haus die Gemeinwohl-Bilanz und folgen den Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie. Das aktuelle Wirtschaftssystem ist obsolet, man kann nicht unendlich wachsen, ohne anderen zu schaden. Die Gemeinwohl-Ökonomie ist eine klare und konkrete Alternative. Es ist unsere Pflicht, unsere Welt und ihre Ressourcen so gut es noch geht zu schützen, und es ist unsere Pflicht, auf das Wohlsein unseres Nächsten zu achten.“
Ach ja, denke ich mir! So viel Idealismus, und das im 5-Sterne-Segment! Moment! Das „La Perla“ hat aber nur 4 Sterne. Und wenn es nach Michil Costa ginge, hätte es überhaupt keine, das lasse sich aber leider laut Hotellerieverband nicht machen. „Wie ist denn die Reaktion der Gäste auf die Gemeinwohl-Ökonomie?“, möchte ich noch wissen. Auch hier ist Costa recht pragmatisch: „Jeder hat den Gast, den er verdient. Unser Haus ist nicht für alle, aber für viele. Ja, nicht alle unsere Gäste sind von der GWÖ überzeugt, viele hätten es gern genauso, wie es immer gewesen ist. Man sollte aber jeden Tag dazu nutzen, irgendetwas neu zu machen. Wer glücklich sein will, muss sich oft verändern. Es gibt schon manchmal Reklamationen, und das ist auch gut so. Nicht alles, was wir machen, ist auch immer richtig. Wir versuchen unsere Werte mit unseren Gästen zu teilen, und es kommt schon vor, dass, wer dazu nicht offen ist, nicht wiederkommt. Dieses Risiko sind wir aber bereit einzugehen.“
Hotel La Perla_Weinkeller Mahatma WineMit diesen klaren Worten beenden wir unser Gespräch. Ob ich seinen Weinkeller schon gesehen habe, will er im Rausgehen noch wissen. „Nein, noch nicht!“, gebe ich zur Antwort.
Unter uns, eigentlich wollte ich mich drücken, denn ich kann Ihnen nicht sagen, wie viel Weinkeller ich im Laufe meiner Karriere gesehen habe, und wenige waren die Zeit wert. Ich bin dann doch mit hinunter und sehr froh, dort gewesen zu sein. Michil Costas „Mahatma“-Weinkeller ist die schrägste mulitmediale Weindarstellung, die ich je gesehen habe, und ich bezweifle, dass es etwas in der Art nochmals zu finden gibt. Licht- und Lasershow, Filmdarstellungen, irre Musikeinlagen, tanzende Champagnerflaschen, eine dramatische Sassicaia-Kapelle, Stimmen aus dem Off und eine Regenwand sind nur einige der Entertainment-Einlagen, die die Besucher erwarten, wenn sie den mit über 30.000 Flaschen und mehr als 2.300 Etiketten größten Weinkeller Südtirols besuchen. Dieser Weinkeller ist ein absolutes „Must“ für jeden Weinfan.
Allerdings muss ich sagen, dass ich auch ganz froh bin, bei einigem nicht dabei gewesen zu sein. Costa veranstaltet regelmäßig „Schweigeabende“, an denen weder Gäste noch Personal sprechen dürfen. Wer glaubt, sich mitteilen zu müssen, hat dies mittels Stift und Papier zu tun. In diesem Punkt würde bei mir als Gast der Spaß aufhören, aber es gibt auch in diesem Fall Menschen, die das super finden!
Das Hotel „La Perla“ liegt in einem der schönsten Flecken Europas und ist wirklich etwas anders. Es spricht Gäste an, die Wert auf Authentizität legen und einen Sinn für Nachhaltigkeit haben – aber auf Luxus nicht so richtig verzichten wollen. Ich finde es gut, das die Familie Costaund ihr Hotel seinen eigenen Stil gefunden hat und es nicht versucht immer allen recht machen zu wollen.
Das Größte für Michil Costa ist es allerdings, alleine, schweigend und barfuß seine geliebten Berge hinaufzulaufen und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen! Um mit den Worten von Mahatma Gandhi zu sprechen: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt.“
Weitere Informationen zu dem Hotel: www.hotel-laperla.it
Text: Britt Heudorf

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